Rheinischen Post - 3 februari 2009

> terug

Behände mit vier Füßen

VON GERT HOLTMEYER - Stadt Kempen (RP)

Zwei Mann an einer Orgel – geht das und macht das überhaupt Sinn?
Ja, sagen die niederländischen Brüder Euwe und Sybolt de Jong und bewiesen es eindrucksvoll an der König-Orgel in der Kempener Paterskirche.

Ob einem die französischen Schwestern Katia und Marielle Labèque, die Brüder Alfons und Aloys Kontarski oder Volker und Hans-Peter Stenzel einfallen: Klavierduos sind keine Seltenheit.
Aber dass sich zwei Brüder mit vier Händen und vier Füßen eine Orgel teilen, ist schon eine Rarität.

Hat Ute Gremmel-Geuchen, Organisatorin der Reihe "König-Orgelkonzerte in der Paterskirche", selber schon einmal zu zweit an einer Orgel gespielt? "Ja", sagt die versierte Organistin.
"Aber man darf, verglichen mit Klavier vierhändig, die Schwierigkeiten nicht unterschätzen."

Schmale Manuale

Warum? Aus mehreren Gründen, erläutert Gremmel-Geuchen. Während an Werken für Klavier vierhändig oder für zwei Klaviere kein Mangel besteht, ist es um Original-Kompositionen für Orgel-Duo schlecht bestellt. Weiter sind die Manuale einer Orgel erheblich schmaler als die Tastatur eines Klaviers. Mit den Pedalen darf man sich nicht ins Gehege kommen. Und schließlich stellt sich die Frage nach dem Sinn, denn in Anbetracht der Registriermöglichkeiten und der Kombination von Pedal-Einsatz und mehreren Manualen kann auch ein einzelner Spieler auf einer Orgel viele Stimmen und Klangvarianten gleichzeitig spielen.

Das Problem der fehlenden Original-Kompositionen lösen Euwe und Sybolt de Jong auf mehreren Ebenen.
Planmäßig durchstöbern sie die europäischen Bibliotheken nach bisher unentdeckten Werken.
Sie komponieren selber und verteilen regelmäßig Kompositions-Aufträge.
Darüber hinaus bearbeiten sie Musik aller Art für Orgel vierhändig und –füßig.
Und dass man beim Spielen auf der Orgelbank sehr nahe beieinander sitzt,
macht dem nordniederländischen Bruderpaar nichts aus.

Aber die brüderliche Harmonie geht nicht so weit, dass die beiden Organisten auch zusammen leben und wohnen.
"Nein", winken beide lachend ab und Euwe, der Ältere (52) ergänzt: "Wir haben beide unsere eigenen Familien", er in Assen, Sybolt (47) in Tolbert.

Zum ersten Mal in Deutschland

Im Kulturforum gab es für die beiden gleich mehrfach Neuland. Als Duo spielten sie zum ersten Mal in Deutschland. Und sie arrangierten, anlässlich des Gedenkjahres für Händel ( 1759) und Haydn ( 1809), für das Kempener Konzert zum ersten Mal Werke dieser beiden Komponisten. Mit der Bearbeitung von Haydns d-moll-Streichquartett demonstrierten die de Jonges einen Vorteil des Orgelspiels zu zweit: Die vier Stimmen wurden eins zu eins übertragen, wobei Überschneidungen in einer Höhenlage durch Aufteilen auf verschiedene Manuale vermieden wurden. Und bei den barocken Kompositionen (Bach und Händel) konnten Melodie und Continuo noch besser differenziert werden, als das einem Einzelspieler möglich ist.